CIRCUS. Hach. Ich weiß gar nicht mehr, womit dieses Projekt seinen Anfang nahm. Eines Tages war da ein Bild in meinem Kopf und noch ein paar Tage später kam ein anderes dazu. Dann wurden diese Bilder aber erst einmal in den Hinterkopf sortiert und mit „Ach, vielleicht kann man mal ‚ne zirkusartige Fashionstrecke draus machen“ vermerkt. Etwa ein Jahr später wurde es dann auf einmal konkreter, die bloße Fashionstrecke war mir plötzlich zu langweilig und die ganze Idee wurde viel komplexer. Ich wollte mehr Tiefe. Mehr Sinn und mehr Geschichten dahinter.

Und so entstand eine Bildidee nach der anderen, ich schaute mir Dokus über das Zirkusleben an, suchte nach Kostümen und Wegen eine Zirkuswelt für meine Zwecke zu erschaffen. Und ich kam auf die Idee dieses Projekt mit meiner anstehenden Bachelorarbeit zu verbinden. Mein Dozent legte mir dann allerdings nahe, meine künstlerische Arbeit von der wissenschaftlichen zu trennen und mich auf die Suche nach einem anderen Thema zu machen. So kam das CIRCUS Projekt nach einer kurzen intensiven Produktionsphase wieder einmal für ein gutes Jahr zum Erliegen. Monatelang am Schreibtisch gefesselt zu sein, zwischen all den Kostümen und Requisiten, ist wirklich nicht leicht kann ich euch sagen.

Dann aber im letzten Sommer war es endlich soweit: die Bachelorarbeit geschafft und eine ungewohnte Freiheit vor mir. Die perfekte Zeit, um endlich zu vollbringen, was letztes Jahr seinen Anfang nahm. Und ach, wie die Zeit dahin raste.

Eine meine sicherlich grandiosesten Ideen: Eine Zeltwand imitieren durch ein riesiges Stück Stoff. Das muss aber natürlich erst einmal geschaffen werden. Ich bestellte also 20 Meter Stoff, den ich dann in vier 5m Bahnen zurecht schneiden und aneinander nähen musste – natürlich so korrekt wie möglich, um keine Falten entstehen zu lassen. Ein Heidenspaß also, den man mit so einem riesigen und verdammt schweren Haufen Stoff da hat.

Nach meiner 1-jährigen Pause durfte ich dann feststellen, ich war sogar so grandios, so viel Stoff zu bestellen, dass ich die ganze Werkstatt hätte zuhängen können – was überhaupt nicht nötig war. Der Stoff wurde also einmal umgelegt.

Und es kommt noch grandioser: Ich hatte – motiviert, wie ich wohl ein Jahr zuvor war – nochmal 20m blauen Stoff gekauft, um für einige Bilder den Hintergrund zu wechseln. Das tat ich dann aber in Anbetracht des engen Zeitplans als unsinnig ab und pries die Möglichkeiten Photoshops.

Auf dem ersten Bild sieht man noch den ersten verzweifelten Versuch dieses viel zu schwere, viel zu lange Stück Stoff zum Hängen zu bringen. Mein Vater realisierte dann aber für mich ein ziemlich praktisches System, mit dem sich der Vorhang durch einen Kran noch oben ziehen ließ

Um noch ein relativ temperaturfreundliches Shooting zu organisieren, musste alles im Herbst stattfinden. In der Werkstatt meines Vaters. Und wie viel noch zu tun bleibt, ohne dass man das Problem hat eine Zirkuswelt aus dem Nichts zu stampfen, merkt man ja auch erst, wenn die Zeit davonläuft. Wochenlang nähte ich, bastelte, baute und versuchte nebenbei noch 25 Menschen zu koordinieren. Überblick? Huuuuh nee. Der war die meiste Zeit auf Abwegen.

Ein kleines Wunder vollbrachte für mich dann meine liebe Freundin Jule Nero. Den Plan eine Zirkuszeltecke irgendwie im Garten vorzutäuschen hielt sie wohl für nicht ganz so schlau und überraschte mich auf einmal mit „Hey, ich hab da so ‚nen Zauberer mit Zirkuszelt gefunden“. Und so lernten wir Nico aka Mr. TrickNic kennen. Beziehungsweise kannten wir uns etwa 5 Minuten, als er mir schon zusicherte in seinem Garten ein Shooting organisieren zu dürfen. Ja, solch grandiose Menschen existieren noch in unserer Welt.

Und so kam irgendwann die Präproduktionsphase zu einem Ende und das große Shooting stand an (übrigens hätte ich dank meiner To-Do Liste beinahe meine Kamera vergessen). Es war ein wunderschönes Wochenende. Ein unglaublich wunderschönes. Jeder am Set war so glücklich, alle so motiviert und jeder so wahnsinnig hilfsbereit. Ja, und ich selbst verdammt überwältigt davon, wie die Szenen in meinem Kopf auf einmal Gestalt annahmen und was für großartige Menschen ich meine Freunde nennen kann.

Der Abend vor dem Shooting: Das Chaos ist perfekt und auch nicht bestrebt nach stundenlangem Aufräumen zu weichen.

Während der erste Morgen dafür überraschend organisiert startet, fängt der zweite dann wieder gewohnt chaotisch an.

Meine ach so briliante Notlösung die Kostüme um eine Kleiderstange zu bereichern hielt exakt einen Tag. Mein Entsetzen eine Stunde vor dem Beginn des zweiten Shooting-Tags war natürlich ein wenig groß. Verwunderlich, dass ein Drahtseil, welches doch nur für Gardinen gedacht ist, 15 Kostüme nicht so lang halten kann, war es zugegeben allerdings nicht. Aber gut, dann sucht man halt so schnell es geht Notlösung Nummer 2 (Die hält dafür anscheinend auch so lang, bis ich weiß, was ich mit all dem Kram nun mache).

Ich freue mich riesig nun mein erstes großes Projekt vorstellen zu können. CIRCUS ist eine Fotostrecke, welche den Glanz und Glamour, aber auch die Schattenseiten des Showgeschäfts zeigen soll. Angelehnt an die Goldenen 20er geht es um eine Zeit, in der es so viele Zirkusse gab, wie nie zuvor und das Kabarett, das Varieté und die Unterhaltungskunst im Allgemeinen ihre Blütezeit hatten. Mit aller Macht versuchte die junge Generation damals die Übel des Kriegs zu vergessen, dem Alltag zu entfliehen und mit Eleganz das Elend zu überstrahlen.
In den Bildern soll gerade dieser Versuch jegliche Missstände zu überspielen deut­lich werden: Der Glanz und Glamour soll seinen Platz bekom­men, ebenso wie die Leidenschaft für das Showleben, der Ruhm und Erfolg, für den so leidenschaftlich gelebt wird. Allerdings spielen auch die Schattenseiten eines solchen Lebens eine große Rolle in den Bildern.
Der Welt immer Neues und Sensationelles zu bieten kann schwierig werden, ebenso jeden Tag für das Publikum seine Rolle zu spielen und zu strahlen. Das Showleben verlangt viel Ehrgeiz, Disziplin und die Fähigkeit die eigenen Gefühle zugunsten der Show hinter einer glitzernden Maske zu verbergen. Dementsprechend wird oft auf die Fassade nach außen angespielt und angedeutet, dass der Blick dahinter weniger glanzvoll sein mag, als es auf den ersten Blick scheint.
 
Ich freue mich euch in den kommenden Wochen Stück für Stück jedes Bild und jede Geschichte dahinter näher zu bringen. Mit Backstage Fotos und Infos, kurzen Videos und vor allem getragen von ganz besonderen Menschen, ohne die all das niemals niemals möglich gewesen wäre.