Was ist, wenn doch irgendwann alles zu viel wird? Wenn die Welt sich immer weiterdreht, aber irgendwie viel zu schnell für dich. Was ist, wenn die Angst vor der unsicheren Zukunft deines Zirkus, deines Lebens, dich anfängt zu lähmen? Wenn sie dich erfüllt und nicht mehr loslassen will. Und was ist, wenn sie dich schließlich bricht? Still und leise wie die Saite deiner Geige.

Dieses Bild des gebrochenen apathischen Clowns und seiner kaputten Geige entstand direkt am Anfang des Projekts. Es kam eines nach dem anderen: Ich wollte gern einen Clown mit blauem Anzug und blau/weißem Make-Up für das Projekt. Dann traf ich meine liebe Freundin Rebecca nach allerlei Zeit und vielerlei Studienstress wieder und sie warf sofort Johann als Model ein. Und sprach direkt von kaputten Geigen! Sie könne vielleicht welche bei ihrer Arbeit organisieren. Mit diesem Bild vor Augen weihte ich auch schließlich Johann ein. Der Gute muss ja auch irgendwann von seinem Glück erfahren. Und ein richtiger Filmemacher hat natürlich was in seinem Zimmer hängen? Richtig! Eine kaputte Geige! Macht doch Sinn.
 
So war uns also schon mal eine Geige sicher. Ich musste nur noch das Outfit in meinem Kopf auch in der Realität finden. Aber nach ca. 253 Seiten eBay, Amazon, Kleiderkreisel und jede sich sonst noch bietende Plattform durfte ich natürlich feststellen, dass solche „einfachen“ Dinge, wie ein blauer Samt-Strampelanzug, anscheinend nur in meinem Kopf einfach sind. Wenn es doch aber so einfach ist, schlussfolgerte mein Kopf, dann bekommen wir das auch selbst hin! Ein paar Meter dunkelblauer Samt wurden also bestellt und fachmännisch zurechtgeschnitten. Heißt, ich malte nach Gutdünken auf dem Stoff herum, schätzte wie groß Johann wohl etwa sein musste und schnitt mir optimistisch eine Art Schnittmuster zurecht, das jawohl irgendwie ein Strampelanzug ergeben musste.
Das tat es in gewisser Weise auch. Beim Anprobieren meiner Kreation fühlt ich mich allerdings in etwa wie eine Kreuzung von einem Steh-Auf-Männchen und Dideldum und Dideldei. Die Arme ließen sich ungefähr nur noch in einem 45° Winkel anheben. Da ging meine Rechnung von „je größer die Armaussparung, desto größer die Bewegungsfreiheit“ wohl nicht so gut auf. Na gut, das musste also korrigiert werden, ebenso der Halsausschnitt. Irgendwie hatte auch das nicht so gut geklappt und es fehlte ein beträchtliches Stück Stoff. Aber gut, übrig gebliebener Stoff über die Puppe werfen und ein Loch direkt um den Hals herum ausschneiden, das sollte es doch alles fixen. Hat mir jedenfalls Disney damals beigebracht und um ehrlich zu sein – das wollte ich doch immer schon mal ausprobieren.

Schneidern auf Gutdünken und ein Clownkragen, der fast zum High-Fashion Objekt werden wollte.

Das Foto entwickelte sich an dem Shooting-Tag dann nochmal ein wenig weiter – ich brauchte Gerümpel und spontan schlug meine Mutter unseren Dachboden vor. Was Gerümpel betrifft jedenfalls die perfekte Idee. Was Sicherheit und Zugänglichkeit des Sets betrifft eher so mäßig. Aber mit einer Handvoll mutigen und trittsicheren Jungs aus dem Team doch machbar. Wir bauten also da oben ein behelfsmäßiges Set auf und stationierten 2 der Mädels an der Straße, um eventuell besorgten Dorfbewohnern schnell mitteilen zu können, dass es sich hierbei keinesfalls um einen schweren Brand handelt. Der Nebel wurde nämlich in dicken Schwaden aus dem Fenster in die Freiheit gesogen. Und was passierte dann? Die Geige, die Johann in der Hand hält, war doch nicht die Kaputte, die an seiner Wand hängt. Es war eine, die im Sommer für einen Filmdreh genutzt wurde und soeben ihren Weg zurück zu ihm gefunden hatte. Johann saß da, spielte mit der Geige – und die Saite riss.

CREDITS
Kostüm: Marlena Wels
Licht: Tim Boye
Nebeleffekte: Jannis Lippisch
Video: Philipp Spieck